Es ist bemerkenswert, wie identische Fakten unterschiedlich bewertet werden. Nachdem in den vergangenen Jahren in Böblingen kaum ernsthafte Bestrebungen erkennbar waren, der stetig wachsenden Kostenlast im städtischen Haushalt entgegenzuwirken, wird nun eine Einsparung von etwas mehr als 2,5 % als nahezu außergewöhnliche Leistung dargestellt – oder, wie Dr. Breitfeld von der CDU-Fraktion es formulierte, als „echter Kraftakt“. Allein Dr. Gurgel von der FDP-Fraktion hat sein Nein ausdrücklich begründet und vor einem bloßen „Weiter so“ gewarnt.
Tatsächlich stimmte die große Mehrheit im Gemeinderat dem schuldenfinanzierten Haushalt zu. Wenn rund 2,5 % Einsparung bereits als Maßstab für Haushaltsdisziplin gelten, darf man gespannt sein, wie die Stadt mit dem finanziellen Druck umgehen will, der in den kommenden Jahren unweigerlich zunehmen wird.
Unbestritten ist, dass Bund und Länder den Kommunen immer neue Aufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung übertragen. Das entbindet eine Stadt jedoch nicht von der Pflicht, dort zu handeln, wo Kosten sehr wohl beeinflussbar sind – etwa bei der Digitalisierung, bei internen Verwaltungsabläufen oder bei der Prioritätensetzung. Jedes Unternehmen ist zu solchen Maßnahmen gezwungen, spätestens dann, wenn Einnahmen und Ausgaben auseinanderlaufen. Woher soll dieser notwendige Druck in einer Stadtverwaltung kommen, wenn nicht aus dem Gemeinderat? Die Mehrheit der Fraktionen verschließt vor dieser Aufgabe jedoch die Augen – oder fordert sogar noch zusätzliche Ausgaben.
Oberbürgermeister Dr. Belz, der im Januar wiedergewählt werden möchte, verantwortet diesen Haushalt. Böblingen sei bislang immer gut durchgekommen, heißt es, und in zwei Jahren seien die Mindereinnahmen vorbei. Doch wer nüchtern auf die Lage blickt, erkennt: Deutschland, insbesondere Baden-Württemberg – und damit auch Böblingen – steckt in einer strukturellen Krise. Fragen Sie einmal Beschäftigte bei Daimler, bei Zulieferern oder bei Bosch, was sie derzeit unter Arbeitsplatzsicherheit verstehen.
Seit 2019 stagniert das Bruttoinlandsprodukt. Die privaten Investitionen, die rund 90 % der Gesamtinvestitionen in Deutschland ausmachen, sind seither deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig wachsen Ausgaben und Personalzahlen des öffentlichen Sektors weiter. Dieses Muster zeigt sich auch in Böblingen: Die Personalausgaben haben ein Niveau erreicht, das vor wenigen Jahren noch dem gesamten Haushalt entsprach. Substanzielle Sparanstrengungen sind bislang nicht erkennbar.
Natürlich kann man stattdessen kommunale Steuern erhöhen oder neue Abgaben einführen – natürlich erst nach der OB-Wahl. Entscheidend ist jedoch die Frage: Was sind die Kernaufgaben einer Stadt – und wie erfüllt man sie effizient? Dass diese Debatte im Gemeinderat kaum noch geführt wird, ist bedenklich – zumal inzwischen auch die CDU diesen Kurs mitträgt.
Dr. Karl-Heinz Frank
Vorsitzender FDP-Stadtverband Böblingen
